Warum sind Physiotherapeuten sehr gute Personal Trainer?

Im Gespräch mit der Zeitschrift „pt“ gab ich 2015 folgendes Interview:

Intro: Wir behandeln unsere Patienten mit Verletzungen und muskulären Dysfunktionen solange es verordnet wird.

Doch was passiert danach? Führen sie dann ihre sportlichen Hobbies allein ressourcenorientiert aus, werden sie im Fitnesscenter oder Verein gut trainiert?

Eigentlich wäre es sinnvoll, wenn sich Patienten nach unserer professionellen Therapie auch auf unser Know How beim Training verlassen könnten. Darüber unterhielt sich pt_Redakteurin Doreen Richter mit Eginhard Kieß, einem PREMIUM PERSONAL TRAINER und Referenten für Personal Training.

Herr Kieß, im Vorgespräch meinten Sie, dass die Physiotherapeuten eigentlich die besten Personal Trainer wären. Weshalb sind wir es nicht?

Physiotherapeuten arbeiten grundsätzlich in einer 1:1-Situation. Ein Physiotherapeut kennt somit alle Themen, die ein Personal Trainer abdecken sollte. Das können sehr persönliche Gespräche sein, die weit über Physiotherapie hinausgehen. Ebenso betreut ein Personal Trainer seine Klienten zu allen Themen der individuellen Gesundheit wie bspw. Training, Ernährung und Psyche, natürlich vorausgesetzt, er verfügt über diese Kompetenzen. Der einzige Unterschied ist, dass der Patient auf Rezeptbasis betreut wird und der Klient Privatzahler ist. Demzufolge ändert sich ja an der Arbeit erst einmal nichts. Ein Physiotherapeut kennt somit alle Themen, die ein Personal Trainer abdecken sollte. Das können sehr persönliche Gespräche sein, die weit über Physiotherapie hinausgehen. Ebenso betreuen wir unsere Klienten zu allen Themen der individuellen Gesundheit wie bspw. Training, Ernährung und Psyche, natürlich vorausgesetzt, ich verfüge über diese Kompetenzen.
Ein Personal Trainer begleitet seinen Klienten auf dem Weg zu einem veränderten Gesundheitsverständnis bzw. hilft ihm gesünder zu leben. Genau darin liegt die Herausforderung für jeden Personal Trainer und somit auch für den Physiotherapeuten. In den vielen Jahren, in denen ich Physiotherapeuten ausbilden durfte, bin ich immer wieder auf dieselben Probleme und Hindernisse gestoßen: Nur wenige Physiotherapeuten haben ein hohes Dienstleistungsverständnis. Wir Personal Trainer dienen im wahrsten Sinne des Wortes unseren den Klienten. Im Personal Training kann ich nicht im Akkord arbeiten. Jeder Trainer braucht Pausen und Ruhezeiten, um mich selbst zu regenerieren, um das Training zu reflektieren, nachzubereiten und ggfs. das nächste vorzubereiten. So arbeiten Physiotherapeuten nicht. Wenn in der Therapie nicht selten mehr als 20 Patientieren am Tag betreut werden, begleite ich am Tag vielleicht drei bis vier Klienten. Das wars. Dies ist für viele Physiotherapeuten unvorstellbar.
Oft hindert Physiotherapeuten auch eine gewisse „Rezeptmentalität“. Die neue Zielgruppe – Klienten – sind keine Patienten mehr und wollen auch nicht auf Rezept behandelt werden, sondern persönlich betreut, begleitet werden und bezahlen privat. Dieses Umdenken stellt für viele eine große Herausforderung dar.

Warum sind Ihrer Meinung nach nur wenige Therapeuten in dieser Form auf dem zweiten Gesundheitsmarkt tätig?

In meinem letzten Seminar für Physiotherapeuten haben viele der Teilnehmer mir nicht geglaubt, was ich erzählt habe. Für sie war es unvorstellbar, dass Personal Training funktioniert und „auf dem Lande“ schon einmal gar nicht. Ich hörte ständig, so etwas funktioniert nur in Städten wie München, Hamburg und Köln. Spannend ist, dass ich gerade zwei sehr erfolgreiche Personal Trainer aus Thüringen kennenlernen durfte, die sich in einer 99-Seelen-Gemeinde einen konstanten Klientenstamm aufgebaut haben, Unternehmen betreuen und sehr zufrieden mit ihrem Konzept sind. Ist es denn so unvorstellbar, dass ein Klient für eine entsprechende Dienstleistung Honorare ab 85 Euro die Stunde und aufwärts bezahlt? Solange diese Glaubenssätze existieren, wird niemand erfolgreich ein Personal Training Business aufbauen können. Meine Erfahrung zeigt, dass die Mehrheit der Physiotherapeuten bisher das wahre Potenzial von Personal Training nicht erkennen.
Bieten Sie als Therapeut eine ganzheitliche Gesundheitsbetreuung an, wird es immer ausreichend Menschen geben, die gerne diese in Anspruch nehmen, ein entsprechend wertschätzendes Honorar zahlen und dauerhaft trainieren. Dies können sie zweifelsohne neben der Therapie anbieten oder sich komplett mit der Dienstleistung Personal Training von der Therapie „abkoppeln“.

Glauben Sie mir, gerade in der aktuellen Zeit der Globalisierung und Schnelligkeit sehnen sich Menschen nach einer individuellen Betreuung.

Welche zusätzlichen Kompetenzen sollte ein Therapeut haben, um als Personal Trainer erfolgreich zu sein?

Neben den therapeutischen Qualifikationen ist es selbstverständlich, dass ein erfolgreicher Personal Trainer sich in den Bereichen „Funktionelles Training“ und „Ernährung“ auskennen sollte. DesweiterenDes Weiteren gebe ich die dringende Empfehlung, dass sich Personal Trainer in den Bereichen Kommunikation, Rhetorik und vor allem in Psychologie weiterbilden. Der letztgenannte Themenbereich ist oft die wesentliche Basis, um langfristig einen Klienten zu betreuen und ihn vor allen Dingen auf dem Weg zu einem verändertemveränderten Verständnis für seine Gesundheit zu begleiten. Wir wissen selbst, dass ein stark übergewichtiger Mensch selten zu dick vom vielen Essen ist. Oft verbirgt sich dahinter mentale Aspekte bis hin zu einer persönliche Tragödie. Diesen müssen wir als Personal Trainer auf den Grund gehen, sonst können wir unserem Klienten nicht helfen. Selbstverständlich gilt: „Schuster bleib bei deinen Rappen“. Ich betreue Klienten nur in Themenbereichen, in denen ich mich auskenne. Außerdem verfügt ein erfolgreicher Personal Trainer über ein umfangreiches Netzwerk an Kooperationspartnern, die er spätestens dann benötigt, wenn seine Kompetenzgrenzen erreicht sind. Letztendlich geht es darum, dass der Trainer über eine hohe soziale Kompetenz und Empathie verfügt und als Persönlichkeit den Klienten zielführend und erfolgreich betreuen kann.

Was meinen Sie mit: „Konzentriere dich auf deinen Stärken“ genau?

Es gibt grundlegende unternehmerische Erfolgskonzepte. Eines davon ist die sogenannte „EKS-Strategie“, die Engpass-Konzentrierte Strategie. Die EKS-Strategie besagt, dass der Unternehmer sich auf seine Kernkompetenzen konzentriert und das dringendste Problem seiner Zielgruppe lösen sollte. Wer das tut, wird erfolgreich. Das heißt, für einen Physiotherapeuten bzw. Personal Trainer dass er keine „Eierlegende Wollmilchsau“ sein sollte, sondern sich in seinem Personal Training Konzept spezialisiert und positioniert. Erfolgreiche Physiotherapeuten bieten ja auch nicht den Bauchladen, bei dem jede Therapieform und jedes Trainingskonzept angeboten wird. Ihre Spezialisierung orientiert sich an Ihren Kernkompetenzen und diese bieten Sie Ihren Patienten bzw. Klienten an.

Sie betreuen als PREMIUM PERSONAL TRAINER auch Führungskräfte von Unternehmen. Wofür steht das „PREMIUM“?

Das „PREMIUM“ steht für „PREMIUM PERSONAL TRAINER“. Damit erfülle ich die weltweit höchsten Qualitätskriterien der Branche Personal Training. Von mir wird ein professionelles Know-how in Gesundheit, Fitness und Ernährung verlangt und ich muss ein Höchstmaß an Engagement und sozialer Kompetenz in meine Trainingsarbeit einbringen. Es wird von mir erwartet, dass ich in jeder Hinsicht kultiviert und souverän auftrete. Jeder Einzelne der PREMIUM PERSONAL TRAINER wurde in allen fachlichen und sozialen Kriterien geprüft und nach festem Verfahren zertifiziert. Das ist die beste Qualifikation, die im dieser Markt ermöglicht ist.

Das „PREMIUM“ bezieht sich ebenso darauf, dass ich meine Arbeit als „Das Beste. Für Körper, Geist und Seele“ verstehe. Ich biete die individuellste Dienstleistung der Welt und diese sollte stets „premium“ sein. Das ist mein Anspruch und mein Leistungsversprechen und das eines jeden PREMIUM PERSONAL TRAINERs.

Die Konkurrenz beim Personal Training ist groß. Viele Personal Trainer können von dem nicht wirklich überleben. Was empfehlen Sie ihnen?

Für diejenigen, die nicht überleben können, gibt es nur zwei Empfehlungen: Entweder sie stellen ihr Business ein und widmen sich neuen beruflichen Herausforderungen oder sie überdenken genau und konsequent, warum es nicht funktioniert und warum ihr Business-Model keinen Gewinn erwirtschaftet, keinen Spaß macht. Dies kann man am besten erfahren, wenn man einen erfahrenen Business Coach zu Rate zieht oder durch den umfangreichen Erfahrungsaustausch mit anderen Kollegen.

Wenn dabei herauskommt, dass das aktuelle Geschäftsmodell (noch) nicht tragfähig ist, dann gilt es über Folgendes nachzudenken:
1. Wie akquiriere ich neue Klienten?
2. Wer ist meine Hauptzielgruppe?
3. Ist mein Marketingkonzept auf meine Zielgruppe ausgerichtet?
4. Kann ich mir ggf. ein zweites Standbein aufbauen, um die Finanzlücke zu schließen?
5. Entspricht mein Honorar einer professionellen Marktsituation?
6. Was bin ich (mir) wert?

Nur wer sich diesen Fragen stellt, wird mit großer Sicherheit Ideen und Konzepte entwickeln, um in Zukunft erfolgreich als Personal Trainer im Markt bestehen zu können.

Ende des Interviews: Vielen Dank für das Gespräch!

Herzlichen Dank Doreen Richter für das sehr angenehme Interview.
https://www.physiotherapeuten.de

3 Kommentare
  • Esther Kolf
    Veröffentlicht um 23:29h, 26 April Antworten

    Dankeschön, lieber Eginhard!

    Habe gerade Deinen tollen Artikel über Physio und PT gelesen und muss mir die Zeit nehmen um etwas loszuwerden. Du weißt, dass ich mich seit der Ausbildung zur Physio (übrigens ursprünglich um als PT noch besser zu werden!) immer mehr in die Medizin hineingegraben habe. Seitdem behandel ich das PT zugegeben sehr stiefkindlich und bewerbe es nicht aktiv. Meine moveo-personaltraining-Seite auf FB hat ganze 2 Likes… 😉 Der PPT bleibt meine erste Adresse, sobald sich das ändern sollte. Zur Sache: Ich, das Training und die Physiotherapie…ein dramatisches ambivalentes Verhältnis und ich habe viel darüber nachgedacht. Ich gehe mit Deiner Aussage 100% konform, dass die Physios nicht gerade zu Dienstleistern erzogen werden.

    Aber das ist in meinem Fazit nicht alles: Meiner Erfahrung nach darfst Du Dein Augenmerk im Coaching unbedingt auch auf die fachliche Umsetzung von Training legen. Unsinn bei der fundierten Ausbildung möchte man denken, nicht wahr? Flächendeckend machen die meisten Physios nicht mehr Sport als ihre kranken Patienten. In meinem Ausbildungsgang als Physio mit 60 Berufsfachschülern habe ich (über 30-jährig) 17- bis 20-Jährige (gegen meine ängstliche Erwartung) bis auf wenige sportlich locker in die Tasche gesteckt und war erschrocken. Im ersten klinischen Praktikum gab es gleich 2 Schüler mit Bandscheibenvorfällen. In meiner letzten großen Physio-Fobi 2013-2015 saßen im Kurs über 20 Physios, von denen 4 regelmäßig trainierten und der Rest war erschreckend unsportlich und übergewichtig (mehrere bis 30 Kilo Übergewicht). Sie alle waren zusätzlich ausgebildet in medizinischer Trainingstherapie, hatten aber eine verschobene Vorstellung von Belastbarkeit ihrer selbst sowie von ihren Patienten. Zudem geben die meisten Physios zu, Gruppentrainings zu hassen (in dem sie auch nach eigenem Erleben schlecht ausgebildet sind). Auch gibt es Untersuchungen die belegen, dass für viele Patienten der Hin- und Rückweg zur Therapie anstrengender ist, als die Therapie selbst. Was mich lange lange beschäftigt hat: Kann ein Physio, der noch nicht einmal weiß, wie sich Training im gesunden Zustand anfühlt, sich in einen kranken Patienten hineinversetzen? Ich denke – trotz allen Wissens – nein. Wissen ersetzt kein Körpergefühl.

    Ich bin dankbar für meine Wurzeln (ehemalige Wettkampf-Turnerin, 1. Ausbildung als Gymnastiklehrerin und 13 Jahre Group-Fitness). „Krankengymnastik“ ist bei meinen Patienten „Training“, die Leute werden altersgemäß gefordert, solange sie beim Training keine Schmerzen haben und gehen auch mal verschwitzt nach Hause. Aber PT? Wenn ich sehe, wie weit sich das entwickelt hat, muss selbst ich passen und habe (auch erfolgreich) Empfehlungen an Trainer des PPT aus meiner Region ausgesprochen.

    Schwerpunkt Deines Coachings ist sicher die Dienstleistung im PT, aber die Training-Skills dürfen unbedingt mitbeworben werden und leider auf keinen Fall vorausgesetzt werden. Selbst wenn ich davon ausgehe, dass Dein Coaching für die Sportler unter den Physios interessant ist, wären sicher viele überrascht und dankbar. Ganz liebe Grüße, auch an alle Kollegen. Esther

  • Sebi
    Veröffentlicht um 00:05h, 29 Mai Antworten

    Ich selbst bin Physio in Ausbildung. Möchte danach studieren und nebenberuflich als Personal Trainer arbeiten. Ist es denn während einer Personal Training Einheit erlaubt auch Physiotherapie-„hands on“-Techniken anzuwenden oder ist das rechtlich gesehen strikt voneinander zu trennen, da kein Arztrezept, damit keine Heilmittelverordnung etc…

    • Eginhard Kieß
      Veröffentlicht um 09:57h, 29 Mai Antworten

      Hallo Sebi,
      Herzlichen Dank für deinen Kommentar und deine Frage. Ich wünsche dir viel Erfolg bei deiner Ausbildung in der Physiotherapie und vor allem bei deiner Nebenberuflichen Tätigkeit als Personal Trainer. Ich kann dich nur darin bestärken, weil unser Beruf sehr gute Zukunftsperspektiven hat und gerade du als Physiotherapeut, die besten Voraussetzungen.

      Versprich mir aber bitte eines: gehe das ganze professionell an, damit du dir ein stabiles Business aufbaust. Falls du Fragen dazu hast, melde dich gerne.

      Zu der rechtlichen Thematik kann ich dir keine verbindliche Auskunft erteilen, da solltest du deinen Verband ansprechen. Da du nicht auf Rezept im Training arbeitest, solltest du es auf keinen Fall als Therapie betiteln beziehungsweise darunter laufen lassen. Mit Sicherheit werden die Methoden ineinander fließend übergehen, aber du solltest eine klare Abgrenzung schaffen. Mehr kann ich unter rechtlichen Aspekten nicht dazu sagen. Unabhängig davon ist meine Aussage keine rechtsverbindliche Auskunft. Daher empfehle ich dir sehr, dich an deinen Berufsverband zu wenden.

      Wenn du Fragen hast, bezüglich dem Aufbau eines stabilen und nachhaltigen Personal Training Konzeptes, dann melde dich bitte unbedingt!

      Viele Grüße, Eginhard

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